Nutzung extremophiler Mikroorganismen

Einige Mikroorganismen haben sich an extreme Lebensbedingungen angepasst. Beispiele hierfür sind hohe Salzgehalte oder hohe Temperaturen, wie sie z.B. in heißen Quellen auftreten. Viele dieser Vertreter gehören zu den Archaeen. Diese „Urbakterien“ stellen neben den Bakterien und den Eukaryonten die dritte Domäne des Lebens und unterscheiden sich u.a. darin, dass sie über keine Fettsäuresynthese verfügen und Lipide bilden, in denen isoprenoide Seitenketten als Äther mit dem Glycerinteil verknüpft sind. Aufgrund der randständigen Lebensbedingungen sind diese häufig auch zu außergewöhnlichen Stoffwechselleistungen in der Lage. Diese können entweder für Syntheseprozesse (z.B. Produktion von Biowasserstoff) oder für Abbauprozesse (z.B. Mineralölabbau) zu Nutze gemacht werden. Weiter vorteilhaft beim Einsatz Extremophiler ist, dass diese nicht-infektiös für den Menschen sind (pathogene Arten finden sich insbesondere im mesophilen Temperaturbereich zwischen 30 und 39 °C; bislang sind keine Humanpathogene bei Archaeen bekannt).

Biologische Heißentfettung mittels Thermophilen

Entfettung ist in Metall verarbeitenden Betrieben unerlässliche Voraussetzung für die weiteren Verarbeitungsschritte. Am Institut wurde die Idee entwickelt, diese Aufgabe nicht (alleine) konventionellen Reinigungsmitteln - häufig auf alkalischer Basis - zu übertragen, sondern zusätzlich Mikroorganismen einzusetzen, die in der Lage sind, Mineralölkohlen­wasserstoffe zu verstoffwechseln. Direkt am Entstehungsort sollen Mikroorganismen Fette und Öle zu Kohlendioxid und Wasser umsetzen und damit Reinigungschemikalien ersetzen (s. Abbildung 4). Die Ausbildung von Biotensiden unterstützt diesen Prozess. Hierzu wurden erfolgreich Organismen aus heißen Quellen Islands (Strokkur, Blaue Lagune) bzw. Venezuelas (Las Trinjeras) verwendet. Technisch wurde der Reinigungsschritt mit einem Biomembranreaktor zur Biomasserückhaltung umgesetzt.

Neben dem Wegfall der Entsorgung abgereinigten Mineralöls (es entsteht nur Biomasse, CO2 und Wasser) konnte bei der Heißentfettung eine deutliche Energieeinsparung aufgrund der Senkung der Badtemperaturen von 80 °C auf 55 °C bzw. teilweise 42 °C im Vergleich zur klassischen Heißentfettung verzeichnet werden. Zur Nachhaltigkeit des Prozesses trägt zudem der geringere Bedarf an Reinigungsmittelkomponenten und damit auch der Bedarf an Hilfsstoffen, um diese abschließend wieder zu entfernen, bei. [Kunz, Benra, Dickbertel, Sommer 2011]

Mit Mikroorganismen besiedelter Öltropfen

Foto: S. Schilling

Biologischer Abbau von hoch-salzhaltigen Abwässern mittels Halophilen

Bei manchen industriellen Prozessen fallen Abwässer an, die extrem zusammengesetzt sind und bei denen konventionelle Klärprozesse an ihre Grenzen stoßen, z.B. wenn der Salzgehalt deutlich erhöht ist. Osmotische Schockwirkung auf die Mikroorganismen des Belebtschlamms kann die Folge sein [Meusel, 2004]. Halophile Mikroorganismen benötigen Salzkonzentrationen > 3 % zum Wachsen, zudem werden ausgefallene Substrate als Energie- und Baustoffquelle genutzt – entsprechend erscheinen diese für Abbauprozesse insbesondere geeignet. Halophile sind häufig begeißelt und verfügen teilweise über die Fähigkeit Gasvesikel auszubilden, mit denen sie sich aktiv in Sauerstoff-reichere Bereiche bewegen können [Zimmermann und Pfeifer, 2004], was sie für die Abwasserreinigung bei erhöhten Temperaturen besonders interessant macht. Durch Hinzufügen von Impfkulturen (angezüchtet aus Wasserproben aus dem Toten Meer) zu Abwasser einer Betriebsanlage der Gelatineproduktion bzw. eines Klärbetriebs, in dem Abwässer einer Knochenleimfabrik gereinigt wurden, konnten die CSB-Abbauraten im Vergleich zum konventionellen Prozess auf 600 g CSB/kg TS*d bei einer Belastung von 3.250 g CSB  deutlich gesteigert werden von 450 g CSG/kg TS*d bei Belebtschlamm einer kommunalen Kläranlage bzw. 140 g CSG/kg TS*d innerhalb der betrieblichen Kläranalage [Kunz, Sommer, 2009].

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